60 Jahre deutscher Presserat: Pressefreiheit und Presse-Ethik im Blick

Seit seiner Gründung am 20. November 1956 setzt sich der Presserat für die Verteidigung der Pressefreiheit und die Einhaltung presseethischer Grundstandards ein. Der Presserat hat sich hierzu mit dem Pressekodex ein Regelwerk geschaffen, anhand dessen er die Beschwerden beurteilt und entsprechende Rügen aussprechen kann. Die Entscheidungen, ob eine Veröffentlichung gegen die selbst gesetzten ethischen Grundprinzipien verstößt treffen drei Beschwerde-Ausschüsse, die viermal jährlich tagen.

Der Presserat verhängt zwar keine Strafen oder Bußgelder, sorgt aber mit seinen öffentlichen Rügen dafür, dass die Redaktionen Standards erhalten, die helfen können bei Veröffentlichungen, z. B. von Opfer-Fotos oder Namen von Attentätern, differenziert über die Art der Berichterstattung zu entscheiden.

Mit dem System der Selbstkontrolle durch den Presserat gelingt es gleichzeitig, dass die Arbeit der Medien nicht von staatlichen Stellen kontrolliert wird. Ein wichtiger Baustein zum Schutz der Pressefreiheit. Beschwerden, die dem Presserat von Lesern mitgeteilt werden, nehmen die Beschwerde-Ausschüsse besonders unter die Lupe. So erreichten das Selbstkontrollorgan der deutschen Printmedien im Jahr 2015 nach eigenen Angaben 2.358 Beschwerden zu Veröffentlichungen, vor zwei Jahren belief sich die Zahl mit 2009 auf deutlich weniger.

Bei den letzten Sitzungen wurden wegen schwerer Verstöße drei öffentliche Rügen ausgesprochen. Darüber hinaus beschloss das Gremium 12 Missbilligungen und 32 Hinweise. Laut der hierzu veröffentlichten Pressemitteilung des Presserats erhielt u.a. „BILD AM SONNTAG eine Rüge für die Berichterstattung ‚Wurden sie in den Tod gelockt?‘. Zu sehen war eine Bildergalerie mit Porträtfotos von Opfern. Eine weitere Rüge erhielt BILD Online für den Beitrag ‚Das sind die Opfer des Amoklaufs‘, der ebenfalls Opferbilder enthielt. Der Ausschuss kritisierte, dass beide Veröffentlichungen Fotos zeigten, die ohne Einwilligung der Hinterbliebenen veröffentlicht worden waren. Einige Opfer waren minderjährig. Es handelt sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen Richtlinie 8.2. des Kodex, nach der die Identität von Opfern besonders zu schützen ist. Die Hinterbliebenen der Verstorbenen sollten nicht unvermittelt mit Fotos ihrer toten Angehörigen konfrontiert werden.“

Nach welchen ethischen Standards urteilt der Presserat?
Die Basis zur Beurteilung der eingereichten Beschwerden bildet der Pressekodex, in ihm sind die publizistischen Grundsätze beschrieben. Er besteht aus 16 Ziffern, welche die Maßstäbe „hinsichtlich der Berichterstattung und des journalistischen Verhaltens“ festlegen:

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Ziffer 2 – Sorgfalt
Ziffer 3 – Richtigstellung
Ziffer 4 – Grenzen der Recherche
Ziffer 5 – Berufsgeheimnis
Ziffer 6 – Trennung von Tätigkeiten
Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit
Ziffer 9 – Schutz der Ehre
Ziffer 10 – Religion, Weltanschauung, Sitte
Ziffer 11 – Sensationsberichterstattung, Jugendschutz
Ziffer 12 – Diskriminierungen
Ziffer 13 – Unschuldsvermutung
Ziffer 14 – Medizin-Berichterstattung
Ziffer 15 – Vergünstigungen
Ziffer 16 – Rügenveröffentlichung

Aufgrund der zunehmenden Komplexität und vor allem auch Schnelligkeit von Veröffentlichungen plädiert der Presserats-Geschäftsführer Lutz Tillmanns dafür, „den Geltungsbereich des Pressekodex von Printmedien und deren Onlineauftritten auf alle journalistisch-redaktionellen Angebote von Telemedien und auch auf den Rundfunk auszuweiten“.

Weitere Informationen und Details zur Arbeit des Presserats und zum Pressekodex finden Sie hier.